Gibt es das auch in Gelb?
Städtische Galerie Markt Bruckmühl, Auszug aus der Eröffnungsrede von Dr. Olena Balun, 2019

In der Ausstellung mit dem etwas ungewöhnlichen Titel „Gibt es das auch in Gelb?“ zeigen Stefanie Hofer und Melanie Siegel Landschaftsbilder, ausgeführt in klassischen, aufwändigen Techniken: Ölmalerei und Aquatinta, bei denen es um eine langsame Bilderzeugung geht.

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Melanie Siegel befasst sich mit konstruierten Ideallandschaften. Die Künstlerin überträgt ihre persönlichen, inneren Landschaften auf reale Naturansichten und hält das Ergebnis in der Malerei fest.

Ideallandschaften gab es in allen Epochen der Kunstgeschichte, im Grunde ging es darum, erfundene und reale Naturpartien als Versatzstücke zu einer idealen Komposition zu vereinen. Die wohl künstlichsten Beispiele liefert 17. und 18. Jahrhundert mit sog. „arkadischen“ und „heroischen“ Landschaften, die reale (oft aus Italien stammende) Naturansichten in Kombination mit antik anmutenden Ruinen und dann auch noch mit erfundenen Gewässern bei dramatischen Lichtverhältnissen inszenierten. Etwas später, in der Romantik, erlebt die Methode eine Transformation. Künstler wie Caspar David Friedrich entdecken Interesse an der heimatlichen Landschaft, lösen real existierende Naturfragmente aus dem Kontext heraus und arrangieren sie in einer neuen Bildkomposition mit übertriebener Beleuchtung.

Melanies Methode ist nicht gleich, aber ähnlich. Deshalb wird ihre Kunst oft als sog. „neue Romantik“ charakterisiert. Als Bildvorlagen dienen ihr reale Naturansichten, die sie meist zufällig entdeckt: auf dem Weg nach Hause, beim Blick aus den Fenstern ihres Ateliers. Sie werden skizziert, fotografiert und dann minimal verfremdet. So dass wir instinktiv spüren, dass im Bild etwas nicht stimmt, aber nicht immer sofort sagen können, was.

So tritt die Natur in den Gemälden oft als „Störfaktor“ oder „Irritationsmoment“ in künstlichen, von Menschen geschaffenen Anlagen auf. Besonders prägnante Beispiele dafür sind Werke mit Ansichten der Swimmingpools und Tennisplätze aus der Vogelperspektive. Inspirationen und Motive dafür stammen aus Google Maps. Orte sind real und liegen beispielsweise in Australien. Die Künstlerin gestaltet diese Grünanlagen neu, macht die Licht-Schatten-Verhältnisse intensiver, arrangiert das vorhandene Equipment zu musterhaften Kompositionen. Und dann „pflanzt“ sie zum Beispiel mitten in einen Tennisplatz einen Baum, der die sportliche Nutzung der Anlage unmöglich macht. So erobert in Melanies Werken die Natur ganz subtil immer wieder die Orte zurück, von denen sie der Mensch vertreiben hat.

Subtil ist ein wichtiges Stichwort bei der Künstlerin. Sie hat einen außerordentlichen Sinn für Schönheit, die sie an Orten und in Dingen entdeckt, die vermeintlich unwichtig, gar von vielen als hässlich empfunden werden. So werden in ihren Kompositionen Fassaden langweiliger Neubauten bühnenhaft durch kulissenartige Tannenzweige inszeniert und erlangen dadurch eine beinahe majestätische Wirkung. Blumenkästen mit sprießendem Unkraut, um die sich schon lange kein Gärtner gekümmert hat, isoliert sie aus ihrem gewöhnlichen Kontext heraus und verleiht ihnen eine bemerkenswerte Bildwürdigkeit.

Aber zu viel Schönheit darf es auch nicht sein. Unser Gespräch in ihrem Atelier vor der Ausstellung hat mit den Wolkenstudien damals begonnen. „Das ist mein Himmel, der mir Trost verleiht“, sagte Melanie. „Aber wie kann man heute noch den Himmel malen, ohne dass er gleich mit den Vorgängern aus der Kunstgeschichte verglichen wird? Dass man nicht gleich als Epigone von Caspar David Friedrich gilt?“ – das sind Fragen die sie stark beschäftigen.

Zu viel Schönheit verträgt man auch nicht, schnell wird einem Kitsch unterstellt. Die Künstlerin hat eine interessante Lösung dafür gefunden. Himmelblicke, die sie beeindruckt haben, werden fotografiert und skizziert. Und dann übertrieben: Licht wird verstärkt, Wolken leicht verschoben oder dunkler gemacht. Der Himmel wird noch dramatischer und schöner gemalt, um dann gebändigt zu werden. Mit Oberleitungen und Stahlkonstruktionen der Strommasten, die die Kompositionen durchziehen. Damit sie eine Sachlichkeit wiedererlangen. Dies ist ein großes Anliegen für Melanie, und dennoch trotz dieser Sachlichkeit wirken ihre Werke oft wie Traumszenarien.

Wenn man nun den intellektuellen und technischen Anspruch der ausgestellten Werke beachtet, all die kunst- und kulturhistorischen Bezüge herstellt, fragt man sich, was all das mit dem Titel der Ausstellung zu tun hat? „Gibt es das auch in Gelb?“ 

Der ist sowohl mit einem Augenzwinkern gemeint, als auch ernst. Fragen dieser Art werden tatsächlich häufig den Künstlerinnen gestellt. Gibt es das auch in Gelb? In einer anderen Farbe? Ein Bisschen fröhlicher und bunter? Damit es übers Sofa passt. Und so sehr freut es die Künstlerinnen, dass Menschen mit ihren Werken sich umgeben möchten, mit ihrer Kunst leben möchten, machen solche Fragen den künstlerischen Anspruch und die Idee einfach zunichte.

All diese Werke entstehen aus der inneren Notwendigkeit. Sie sind keine Dekoration und keine Auftragskunst. Mode ist planbar, Design ist planbar, Kunst nicht. Wahre Kunst ist autark. Und das sollte man akzeptieren, denn nur dann kann sie entstehen und überdauern.